Nix wie weg? Die neue Wegzugbesteuerung im Detail

12. April 2021

Durch die Umsetzung der ATAD-Richtlinie kommt es nach dem Gesetzentwurf vom 24. März 2021 zu einer deutlichen Verschärfung des Außensteuergesetzes. Betroffen sind auch die Regelungen zur sog. Wegzugsbesteuerung, also der Einkommensteuer auf Wertzuwächse von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Betroffen sind natürliche Personen, bei denen durch Wegzug ins Ausland die unbeschränkte Steuerpflicht endet oder das deutsche Besteuerungsrecht aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Besonders brisant: Bestehende Stundungsregelungen werden massiv verschlechtert. Ein Verstoß gegen Mitteilungspflichten führt zu einem Widerruf der Stundung. In unserem Video erklären wir alle Änderungen und Auswirkungen im Detail. Aufgrund der Komplexität der Regelung wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Beratung im Einzelfall unerlässlich ist.

Änderungen der Wegzugsbesteuerung ab 2022

Die Anti-Steuervermeidungsrichtlinine (ATAD) der EU verpflichtet die Mitglieder, ihre Regelungen zur Wegzugsbesteuerung neu zu ordnen. In Deutschland erschien dazu am ein Referentenentwurf für das ATAD-Umsetzungsgesetz mit erheblichen Auswirkungen.

In diesem Beitrag und im oben verlinkten Video möchten wir Ihnen zeigen, welche Änderungen bevorstehen, worauf es jetzt ankommt und welche Dinge Sie am besten noch in 2022 veranlassen sollten.

Zum Hintergrund: Was ist die Wegzugssteuer?

Bei der Wegzugsbesteuerung handelt es sich konkret um eine Vermögenszuwachsbesteuerung, die stille Reserven (in GmbH-Anteilen oder Anteilen an Kapitalgesellschaften) besteuert. Stille Reserven meint jene Wertsteigerungen, die sich über viele Jahre hinweg angehäuft haben. Die Besteuerung im Rahmen der Wegzugssteuer geschieht unabhängig davon, ob eine Veräußerung vorgenommen wird; vielmehr wird im Moment des Wegzugs aus dem Inland quasi eine Veräußerung fingiert. Die steuerlichen Folgen sind in diesem Fall deutlich und sehr ärgerlich, da Steuern gezahlt werden müssen, ohne dass dabei Geld fließt.

Der Grund für die Erhebung der Wegzugssteuer ist in den sog. Doppelbesteuerungsabkommen zu suchen, die Deutschland mit verschiedenen anderen Staaten getroffen hat (sog. DBA-Staaten). Diese Abkommen gehen dem nationalen Recht vor und sollen vermeiden, dass für denselben Steuerpflichtigen für dieselben Einkünfte und denselben Zeitraum mehrfache Steuerbelastungen entstehen. Im Regelfall ist es hier so, dass das Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften dem Ansässigkeitsstaat zustehen. Als Ansässigkeitsstaat wird gewöhnlich jener Staat angesehen, in dem sich der Familienwohnsitz bzw. der Lebensmittelpunkt befindet.

Änderung 1: Wegfall der unbeschränkten Steuerpflicht

Vor dem Hintergrund dieser Definition des Ansässigkeitsstaates reichte es bislang nicht aus, einen Nebenwohnsitz in Deutschland zu behalten, denn hier war explizit geregelt, dass auch die reine Verlagerung der Ansässigkeit ausreichend für die Erhebung der Wegzugsteuer ist.

Der neue Gesetzesentwurf sieht nun als Grundtatbestand den Wegfall der unbeschränkten Steuerpflicht vor. Unbeschränkt steuerpflichtig sind Sie, wenn Sie einen Wohnsitz oder einen ständigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben oder behalten, sodass Sie grundsätzlich vorerst bei Beibehaltung einer Wohnung im Inland auf den ersten Blick nicht unter die neue Regelung fallen. - Allerdings gibt es einen Ersatz-Tatbestand, der die Besteuerung bis zuletzt doch ermöglicht: Nämlich immer dann, wenn der Ansässigkeitsstaat aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens künftig zur Besteuerung berechtigt ist, was die Veräußerungsgewinne aus den Anteilen an der Kapitalgesellschaft anbelangt.

Sonderfall: Wegzug in einen Nicht-DBA-Staat mit Nebenwohnsitz in Deutschland

Wenn Sie in ein Land ziehen, mit dem Deutschland kein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat (einen sog. Nicht-DBA-Staat), würde die Beibehaltung eines Nebenwohnsitzes innerhalb Deutschlands die Wegzugsbesteuerung vermeiden. Aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht hätte Deutschland weiterhin das Besteuerungsrecht; der Ansässigkeits-Tatbestand spielt dabei keine Rolle, weil kein DBA mit dem anderen Staat besteht.

Sonderfall: Immobilienkapitalgesellschaft

Wenn Sie an reinen Immobilienkapitalgesellschaften in Deutschland beteiligt sind, kann künftig etwas ähnliches gelten: Bislang reichte die Ansässigkeitsverlagerung in einen anderen DBA-Staat aus, künftig wird es jedoch so sein, dass die Wegzugsbesteuerung nicht greift, wenn (wie in diesem Fall) aufgrund von Sonderregelungen Deutschland weiterhin das Besteuerungsrecht hat. Dies trifft bei Immobilienkapitalgesellschaften zu. Konkret bedeutet das: Wenn Sie ab 2022 in ein anderes Land wegziehen (dabei ist unerheblich, ob es sich um einen DBA-Staat handelt), wird bei reinen Immobilienkapitalgesellschaften keine Wegzugsbesteuerung mehr ausgelöst.

In diesem Sonderfall ist eine Einzelfall-Beratung mit einem spezialisierten Steuerberater unabdingbar. In unserem Team finden Sie sowohl erfahrene Steuerberater für internationales Steuerrecht als auch Steuerberater mit Schwerpunkt Immobilien, sodass wir Sie in jedem Fall optimal beraten können.

Weitere Ersatztatbestände bleiben erhalten

Die übrigen Ersatz-Tatbestände zur Wegzugsbesteuerung bleiben erhalten. Hierbei ist insbesondere die unentgeltliche Übertragung auf Personen, die im Ausland ansässig sind, zu nennen. Dazu zählt z.B. auch der Erbfall.

Erben im Ausland: Unentgeltliche Übertragung

Ein Erbanfall einer Beteiligung an einen Auslandserben löst auch Einkommenssteuer aus, nämlich über die Abfassung der stillen Reserven dieser inländischen GmbH-Anteile. Die Rechtsfolge ist dabei identisch: Auch hier hat der ausländische Staat künftig das Besteuerungsrecht in Bezug auf die Erfassung der Veräußerungsgewinne.

Änderung 2: Der von der Wegzugssteuer erfasste Personenkreis

Es geht grundsätzlich um natürliche Personen, die Anteile an Kapitalgesellschaften halten, die mindestens 1% des Nennkapitals umfassen. Bislang musste diese unbeschränkte Steuerpflicht im Inland mindestens für insgesamt 10 Jahre gegeben sein. Das heißt: Wer (unabhängig von Unterbrechungen) hier in Deutschland mindestens 10 Jahre unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig war, wurde von den Tatbeständen zur Wegzugsbesteuerung persönlich erfasst. Eine interessante Änderung dazu findet sich im vorgelegten Gesetzesentwurf: Künftig wird man nur noch 7 Jahre in Deutschland uneingeschränkt steuerpflichtig gewesen sein müssen. Dies wird allerdings innerhalb der letzten 12 Jahre vor dem Wegzug gezählt. Das bedeutet, dass die Anwesenheitszeiten, die länger als diese 12 Jahre zurückliegen künftig nicht mehr gelten.

Änderung 3: Verschärfung der Stundungsregelung

Wie bereits erwähnt ist die Erfassung der stillen Reserven steuerlich deshalb so brisant, weil dabei kein Geld fließt, weshalb es dann auch an Liquidität für die Steuerzahlung fehlt. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und deshalb Stundungsregelungen im Gesetz mit aufgenommen, die jetzt eine deutlich Veränderung und Verschärfung erfahren.

Bisher war es so, dass ein Wegzug in andere EU- oder EWR-Staaten dazu führte, dass zinslos, eine unbefristete und unbeschränkte Stundung möglich wurde. In der Regel war das Stunden ohne Antrag oder zeitliche Befristung möglich. Dies wird künftig komplett entfallen, auch die Unterscheidung zwischen EU- und Drittstaaten entfällt.

Der neue Gesetzesentwurf sieht eine Ratenzahlung vor, die auf 7 Jahre gleichmäßig verteilt und nur noch auf Antrag gewährt wird. Auch diese wird zinslos gewährt, jedoch in der Regel mit einer Sicherheitsleistung. In Bezug auf den Wegzug in EU- oder EWR-Staaten bedeutet dies eine deutliche Verschlechterung. Wer dies plant, sollte erwägen, den Umzug noch vor dem 1.1.2022 um zusetzen.

Eine weitere Verschärfung betrifft auch den Widerruf der Stundung: Nach aktuellem Recht kann diese widerrufen werden, wenn Sie einer jährlichen Mittelungspflicht nicht nachkommen. Diese Mitteilung an das Finanzamt hat aktuell bis zum 31.1. des Folgejahres zu erfolgen und sollte beinhalten, wie die aktuelle Adresse ist und dass sich an den Beteiligungsverhältnissen nichts geändert hat. Diese Mitteilungspflicht bleibt erhalten, die Frist wird sogar um 6 Monate verlängert; sie erfährt aber eine deutliche Verschärfung: Kommt man der Mitteilungspflicht nicht rechtzeitig nach, wird das Finanzamt die Stundung widerrufen. Dies erfolgt zwingend, ist also nun eine gesetzliche Anordnung und keine Ermessensentscheidung mehr. Es wird künftig also besonders wichtig sein, die neue Frist (bis 31.7. des Folgejahres) penibel zu überwachen und der Mitteilungspflicht entsprechend nachzukommen.

Änderung 4: Mehr Flexibilität bei Weggang mit Rückkehr-Absicht

In der heutigen, globalisierten Welt kommt es häufig vor, dass Personen das Inland nur für eine bestimmte Zeit verlassen und somit mit einer Rückkehr-Absicht wegziehen. Nach altem Recht löst dies dem Grunde nach die Wegzugsbesteuerung aus, welche dann aber rückwirkend wegfällt, wenn man innerhalb von 5 Jahren zurückkehrt. Diese Frist kann auf Antrag auf 10 Jahre verlängert werden. Der Gesetzesentwurf sieht hier eine Verlängerung der Fristen vor. Künftig entfällt die Einkommenssteuer bei einer Rückkehr innerhalb von 7 bzw. 12 Jahren. Es ist möglich, eine Ratenzahlung zu beantragen. So lange man seine Rückkehrabsicht deutlich machen kann, werden diese Raten nicht erhoben. - Faktisch wird es in diesen Fällen also zu einer Vollstundung kommen.

Wegzugsbesteuerung: Ein Fall für den spezialisierten Steuerberater

Insgesamt wird deutlich, dass eine komplette Neuregelung der Wegzugsbesteuerung mit großer praktischer Bedeutung und mit enormer rechtlicher Brisanz vorliegt. Vor diesem Hintergrund sollte man unbedingt frühzeitig steuerliche Beratung einholen. Zudem empfiehlt es sich gerade wenn man in ein EU- oder EWR-Land wegziehen möchte, den Wegzug noch innerhalb des Jahres 2021 vorzunehmen, damit man das Anrecht auf die zinslose, zeitlich unbefristete Stundung der Wegzugssteuer hat.

Unsere Steuerberater in Berlin und in unserer Steuerkanzlei in München gehen davon aus, dass ab 2022 das Bedürfnis zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung deutlich steigen wird. Hier geht es dann insbesondere um die Verstrickung der GmbH-Anteile in einem Betriebsvermögen zur Sicherung des inländischen Steueranspruchs und damit zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung. Es gibt außerdem auch noch einige Besonderheiten, insbesondere bei Fällen mit Immobiliengesellschaften, mit Nicht-DBA-Staaten oder Sonder-DBA-Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten. Gern beraten wir Sie ausführlich zu Ihrem individuellen Fall.

Sie benötigen Beratung im Bereich Unternehmensverkauf & Steuern? Die Steuerberatungsgesellschaft Von Arps-Aubert + Partner ist Ihr starker Partner.

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